Lisa Prechtl - Frühmorgendliches Live-Painting zwischen Müsli und Elektrobeats

Einen selbstbestimmten Morgen, den hat man als Mama zweier Jungs nicht alltäglich. Daher war ich umso gespannter auf die Tanzveranstaltung in Hamburgs Reeperbahngeheimtipp Häkken, dessen Türen an diesem Mittwoch nicht wie gewöhnlich zu später, sondern zu besonders früher Stunde öffnen.

Pre-work-clubbing heißt das Ganze und um punkt 7.00 Uhr geht es los mit elektronischen Klängen, ausgesuchten Köstlichkeiten und Kunstwerken von Lisa Prechtl.


Lisa sticht schon durch ihre Größe und ihre langen, braunen Haare aus der Menge heraus. Heute trägt sie ihren weißen Künstlerkittel und fällt daher vielleicht noch ein bisschen mehr auf als sonst. Sie begrüßt mich mit ihrem breiten, offenen Lächeln steigt von der Arbeitsbank herunter um mir ein herzliches „Guten Morgen“ entgegen zu bringen.

 

An der Wand hängt ein fünf Meter langes Plakat, auf dem Lisa heute ein riesen großes Bild kreieren wird. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal mache“, sagt sie. Denn das Live-Painting, bei dem alle Anwesenden dem Künstler direkt beim Schaffensprozess zu sehen können, ist auch für Lisa eine Ausnahmesituation und eine ganz neue Erfahrung.

 „Ich habe mir schon vorher Gedanken gemacht, was ich malen könnte. Ich glaube, ich wäre sonst auch viel zu nervös gewesen um tatsächlich malen zu können“, verrät sie mir.


Eine illustrierte Geschichte, die bisher nur in Lisas Kopf existiert, soll auf dem überdimensionierten Plakat entstehen. Zu sehen ist ein knätteriger Morgenmuffel, der gerade frisch aus den warmen Federn des Bettes gekrochen ist und dem es offensichtlich schwer fällt die Augen offen zu halten. Das Bild hält seine ersten morgendlichen und unrund wirkenden Bewegungen fest bis er sich schließlich zwischen Menschen wiederfindet, die tanzend und motiviert ihren Tag beginnen. Eine Verwandlung findet statt und er wird Teil dieser sich im morgendlichen Tanzrausch befindenden Masse.


Pinsel, Stifte, Scheren, Silberpapier und natürlich eine Tasse Kaffee alles kommt an diesem Morgen bei Lisa zum Einsatz. Voll konzentriert wirbelt sie zwischen den Besuchern umher, die sich auf der Tanzfläche zu elektronischen Beats rhythmisch bewegen oder sich hinter Lisa bei einem Smoothie unterhalten. „Eigentlich höre ich französische Musik. Der Beat hat mich aber gut abgelenkt und ich habe ganz vergessen, was um mich herum eigentlich passiert. So konnte ich mich richtig in meine Arbeit vertiefen!“. Und so tut Lisa an diesem Morgen genau das, was sie laut eigener Aussage, am aller besten kann. Malen, aktiv und selbstbestimmt sein.


Dazu passt auch ihr Wunsch für die Zukunft. Am liebsten würde sie ein Kunstkollektiv gründen, in dem es neben immer anwesenden auch Platz für ausländische Künstler und Menschen ohne jegliche künstlerische Vorkenntnisse gibt. Es soll ihrer Meinung nach auch in Hamburg wieder einen Raum geben,  in dem nicht der platten Konsumgedanke dominiert, sondern man einfach sein kann.

 

Morgens um 6 Uhr früh aufzustehen und sich vor eine wohl anfangs noch verschlafene Hamburger Meute zu stellen, um vor ihnen ein Live-Painting zu veranstalten, davor habe ich Respekt.

 

Abschließend frage ich sie, ob sie mir wohl eines ihrer Kunstwerke mit geben könnte. Ihr verschmitztes Lächeln verrät mir, dass ich mich wohl oder übel mit leeren Händen, dafür aber mit durchgetanzten Beinen und guter Laune an diesem Mittwoch um kurz nach acht auf den Weg zur Arbeit machen muss.